"Wir klären das" – so lautet der Slogan des Abwasserverbands Altenrhein (AVA). Wasser "klären", also reinigen, ist stark vereinfacht das, was eine Kläranlage tut. Aus etwas Schmutzigem wird also wieder etwas Sauberes. Dass bei diesem Prozess schädliche Treibhausgase entweichen, war lange nicht bekannt und dementsprechend auch nicht untersucht. Mittlerweile ist klar, dass die rund 650 Abwasserreinigungsanlagen (ARA) in der Schweiz für 1 bis 3 Prozent der nationalen Treibhausgasemissionen, hauptsächlich Lachgas, verantwortlich sind. Anhand von 14 Langzeitmessungen im Rahmen des Projekts "N2Oara" auf verschiedenen Typen von Kläranlagen konnten Forscher der Eawag und der ETH 2022 zeigen, dass rund ein Fünftel aller Lachgasemissionen in der Schweiz aus Kläranlagen stammt.
Die gute Nachricht ist, dass ARA diverse Massnahmen ergreifen können, um die Treibhausgasemissionen entweder zu verhindern oder zu beseitigen, ohne dass sie in die Atmosphäre gelangen. Diese Klimaschutzmassnahmen basieren derzeit noch auf Freiwilligkeit. Sie sind zum Teil sehr aufwendig und nicht wirtschaftlich. Es bestehen aber Möglichkeiten zur Übernahme der Investitions- und Betriebskosten solcher Massnahmen. Die Stiftung KliK unter- hält mit ihren Partnern South Pole und Infraconcept zwei Förderprogramme für Massnahmen zur Reduktion von Methan- und Lachgasemissionen auf ARA. Das Prinzip: Die Stiftung KliK erwirbt die Bescheinigungen, die für die erzielten und vom Bund zertifizierten Emissionsreduktionen ausgestellt werden.
Die Anlage des Abwasserverbands Altenrhein nimmt an beiden Programmen teil. Bei einem Besuch auf der Anlage wird rasch klar, wie komplex und hochtechnisch der Slogan "Wir klären das" in Wirklichkeit ist.
Lachgas (Distickstoffmonoxid, N₂O)
N₂O ist nach Kohlendioxid und Methan das drittwichtigste Treibhausgas. Diese Gase wirken sich unterschiedlich auf das Klima aus. Gemessen werden die sogenannten Treibhauspotenziale der verschiedenen Gase einheitlich in CO₂-Äquivalent (CO₂e). Aufgrund seines hohen Treibhauspotenzials, das über 100 Jahre betrachtet 265-mal höher ist als jenes von CO₂, hat die Lachgasreduktion eine grosse Hebelwirkung. Neben N₂O emittieren ARA, wenn auch in deutlich kleinerem Umfang, zwei weitere Treibhausgase: Kohlendioxid (CO₂) und Methan (CH₄). Das Treibhauspotenzial von CH₄ ist fast 30-mal höher als jenes von CO₂.
Alle ARA und ihre Zulaufsysteme funktionieren nach einem ähnlichen Prinzip: Das Abwasser gelangt von unseren sanitären Anlagen – zusammen mit dem Abwasser von Strassen, Plätzen und Dächern – durch die Kanalisation in die ARA. Dort werden die Abwässer zuerst mechanisch, dann biologisch und chemisch gereinigt und am Schluss ins nächstgelegene Fliessgewässer – im Fall von Altenrhein in den Bodensee – geleitet.
Christoph Egli, Geschäftsführer des AVA, führt uns an einem bewölkten, aber trockenen Montagvormittag über das Gelände der Anlage direkt zu den Becken, in denen die biologische Reinigung stattfindet. Hier ist das sogenannte Faulwasser bereits von allen groben Partikeln und Schlamm befreit, es befinden sich darin aber noch gelöste Schadstoffe – darunter auch Stickstoffverbindungen. Milliarden von Mikroorganismen zersetzen diese nun unter Zuführung von Sauerstoff. Dieser Prozess verursacht den grössten Teil der Lachgasemissionen.
Hier kommen die Klimaschutzmassnahmen ins Spiel. Eine Möglichkeit besteht darin, das Faulwasser zusätzlich chemisch zu behandeln, um den Stickstoff in Form von Ammoniak zu entfernen. Das Ammoniakgas wird anschliessend in Schwefelsäure als Ammoniumsulfat gelöst, ein hochwirksamer Flüssigdünger für die Landwirtschaft. Diese als Faulwasserstripping bezeichnete Massnahme wird von der Stiftung KliK seit 2019 gefördert. Das Stripping in der Anlage in Altenrhein ist seit 2021 in Betrieb und verfügt über eine hochkomplexe Technik, das sogenannte Membranverfahren. Zusammen mit der ARA Opfikon und der ARA Yverdon ist Altenrhein die einzige weitere Anlage der Schweiz, die ein solches Verfahren zur chemischen Faulwasserbehandlung anwendet.
Wir verlassen die Becken der biologischen Reinigung und sehen uns im Nebengebäude die Strippinganlage an. Die Installationen, die sich über zwei Stockwerke verteilen, sind hochtechnisch. Man hat hier nicht mehr den Eindruck, sich in einer ARA zu befinden. "Diese Technik hat mit herkömmlicher ARA-Arbeit nicht mehr viel zu tun", bestätigt Christoph Egli. Sie passe eher zu einer Chemiefabrik. Dementsprechend herausfordernd sind der Betrieb und der Unterhalt. Die Betreuung der Anlage benötigt enorm viel Fachwissen. Zudem wird mit gefährlichen chemischen Substanzen gearbeitet, die mit grosser Vorsicht zu behandeln sind.
Christoph Egli zeigt uns einen geöffneten zylindrischen Behälter mit unzähligen, fein geschichteten Membranen. Diese Membranen bestehen aus sehr dünnen Fäden, durch die das Faulwasser läuft. Weil das Material der Membranen hydrophob, also wasserundurchlässig ist, entweicht nach diversen chemischen Vorgängen am Ende nur der Stickstoff, der dann gebunden zu Flüssigdünger wird.
Die Strippinganlage hat Altenrhein vor zahlreiche Herausforderungen gestellt, wie Christoph Egli erzählt. "Zum einen war da am Anfang die noch sehr wenig etablierte Technik. Es gab wenige Anbieter auf dem Markt. Zum anderen braucht eine solche Anlage viel Platz und ausreichend hohe Gebäude. Auch die Finanzierung stellte uns vor Probleme. Ohne das Förderprogramm der Stiftung KliK wäre die Anlage nicht finanzierbar gewesen. Der Dünger, den wir produzieren, lässt sich noch nicht gewinnbringend verkaufen."
Die Massnahmen zur Reduktion der Lachgasemissionen tragen zum Schutz des Klimas bei – bis zu 68 Prozent weniger Emissionen konnten gemessen werden. ARA profitieren dank der Emissionsreduktionen von Fördergeldern, die die hohen Investitionskosten decken. Hinzu kommt, dass in der Schweiz gesetzliche Anpassungen der Gewässerschutzverordnung in Vorbereitung sind, die bei Inkrafttreten die ARA zu gewissen Emissionsreduktionsmassnahmen verpflichten. Vor diesem Hintergrund lohnt es sich, mögliche Optionen für die eigene Anlage zu kennen und vorzeitig umzusetzen.
Auch im Bereich von Methanemissionen, die bei der Behandlung und Vergärung des Klärschlamms entstehen, hat Altenrhein Massnahmen umgesetzt. Diese werden ebenfalls von der Stiftung KliK gefördert. Wir sehen diese Vorkehrungen bei der nächsten und letzten Station unseres Rundgangs. Diesmal geht es hoch aufs Dach, wo wir uns neben vier grossen, mit Fassaden aus Schweizer Holz bekleideten Rundtürmen wiederfinden. "Darin lagert und fault der Schlamm aus", erklärt Christoph Egli und führt uns weiter hoch auf das Dach eines der Türme. Wo früher alles offen war und Methan austreten konnte, verfügen die Faultürme heute alle über eine Kuppel, die das Gas abfängt. Über Leitungen wird es in zwei hauseigene Blockheizkraftwerke geleitet, mit denen Energie für den Anlagenbetrieb sowie für Fernwärme gewonnen wird.
Darüber hinaus verschreibt sich die ARA Altenrhein der Steigerung der Energieeffizienz. Sie nutzt, wann immer möglich, sämtliche Abwärme- oder Energiequellen. Wichtigste Wärmelieferanten der Anlage sind die Blockheiz-kraftwerke. Um das Wärmerückgewinnungspotenzial maximal auszunutzen und die Eigenversorgung mit Motorenabwärme zu erhöhen, wurden die Anlagen mit zusätzlichen Wärmepumpen ausgerüstet. Auch das zwischen 7 und 20 Grad warme Abwasser wird als Wärmequelle genutzt. Es passiert nach der Reinigung eine Wärmepumpe, die dem Abwasser Wärme entzieht. Diese dient zur Beheizung der Faultürme und als Wärmequelle für die Schlammtrocknung. Nicht zuletzt gibt es eine Photovoltaikanlage auf drei Flachdächern der ARA.