Streaming auf Netflix und Co.: 300 Mio. Tonnen CO₂-Ausstoss
In Deutschland entspricht der Gesamtverbrauch aller Rechenzentren etwa dem Energieverbrauch einer Millionenstadt wie Berlin**. Um dafür Strom herzustellen braucht es gemäss Recherchen des Nachrichtenmagazins SWR Aktuell etwa zehn mittelgrosse Kraftwerke. Erheblich ist auch der Treibhausgasausstoss, welcher durch die Server weltweit verursacht wird. Gemäss einer Studie* eines französischen Think Tanks verursacht das Streaming von 30 Minuten auf Netflix einen Ausstoss von 1.6 Kilogramm CO₂. Das entspricht einer Autofahrt von etwa 6 Kilometer. Bei sechs Leuten, die gleichzeitig 2 Stunden Videos streamen wäre das bereits eine Fahrt von Zürich nach Genf (278 Kilometer). Die Studie zeigt, dass im Jahr 2018 allein mit Videostreaming 300 Mio. Tonnen CO₂ ausgestossen wurden. Das ist ungefähr mit dem jährlichen CO₂-Ausstoss von ganz Spanien vergleichbar*.
Korrektur im Text: Zahlen aus Studie als unpräzise identifiziert
Die Studie, auf welche wir uns im Text stützen, erwähnt, dass das Streaming von 30 Minuten auf Netflix einen Ausstoss von 1,6 kg CO₂ verursacht. Eine nachträgliche Recherche hat ergeben, dass sich diese Zahl aus der Studie als unpräzise herausgestellt hat. Deshalb haben wir nach einer Schweizer Studie Ausschau gehalten. Eine Publikation des Bundesamtes für Umwelt (BAFU) besagt Folgendes: Streamt jemand auf einem Laptop mit einer Standardauflösung eine Stunde lang, verursacht dies 0,074 kg CO₂. Diese Zahl ist wesentlich kleiner als 1,6 kg. Würde aber nur schon ein Viertel der rund 1,8 Millionen Netflix-Nutzer*innen der Schweiz gleichzeitig eine Stunde lang auf Netflix streamen, dann entspräche dies einem Ausstoss von 33’300 kg CO₂.
Quelle: Bundesamt für Umwelt (BAFU)
Im Gespräch mit Wissenschaftler Sébastien Humbert von Quantis haben wir erfahren, dass die Hauptursache nicht einzig bei den Servern liegt, da diese immer energieeffizienter eingerichtet werden, sondern bei den Geräten selbst. Die Frage, die wir uns sofort gestellt haben, war: Was können denn Unternehmen oder auch Einzelpersonen überhaupt beitragen, um den CO₂-Verbrauch zu vermindern? Sein Ratschlag ist wie folgt:
«Ein erster Schritt ist, dass wir alle im Privaten auf Strom mit erneuerbarer Energie umsteigen. Das sind zwar ein paar Rappen mehr, aber es hat eine immense Auswirkung auf die Umwelt.»
Nachhaltigere Rechenzentren: klimafreundlicher Kühlen und Heizen mit Abwärme
Dass das Erbringen von riesigen Serverleistungen zum Kerngeschäft von Rechenzentren gehört, daran können ICT-Unternehmen nichts ändern. Sie können aber nachhaltigere Prozesse einführen, welche den CO₂-Ausstoss entweder neutralisieren oder vermindern. Zum Beispiel kann bei den Kühlprozessen der Treibhausgasausstoss vermindert werden, indem auf klimafreundliche Kälteanlagen umgerüstet oder das klimaschädliche HFKW Kältemittel mit einer klimafreundlichen Alternative ersetzt wird. Schliesslich macht der Einsatz von Klimaanlagen rund einen Drittel des Energieverbrauchs von Rechenzentren aus, weil die Server laufend auf 25 Grad heruntergekühlt werden müssen.
«Insgesamt können wir mit allen Wärmerückgewinnungsanlagen unserer NTS Gebäude 170'000 Liter Heizöl pro Jahr einsparen.»
Weiter kann die vorhandene Restenergie auch für andere Zwecke eingesetzt werden, zum Beispiel indem mit der Abwärme Gebäude beheizt werden. Genau dies hat NTS Colocation AG, welches schweizweit riesige Rechenzentren betreut, für all seine Gebäude eingeführt – und ging sogar noch einen Schritt weiter: Mittlerweile betreibt NTS Colocation ein eigenes Wärmenetz, an das neben den eigenen Gebäuden zwei weitere Gebäude angeschlossen sind. Im Gespräch mit Jan Meyer, Planer Energieeffizienz, haben wir mehr über die Hintergründe und Motivationen von NTS Colocation erfahren.
Quellen:
*Französische Think Thank The Shift Project – Studie
**Haustech Magazin Mit Abwärme von Rechenzentren heizen
Interview mit Jan Meyer, Planer Energieeffizienz, NTS Colocation
1. In Deutschland entspricht der gesamte Energieverbrauch von Datenzentren etwa dem Strombedarf einer Millionenstadt wie Berlin. NTS Colocation ist ein ICT-Unternehmen, das gleich mehrere solche Zentren in der Schweiz betreibt. Dies schliesst eine Vielzahl von Servern mit ein. Von welchem Energieverbrauch sprechen wir da?
Meyer: Der Gesamtverbrauch der NTS Colocation AG beläuft sich auf 11 GWh pro Jahr, was dem Verbrauch von rund 2'500 Durchschnittshaushalten entspricht.
2. IT und Umweltschutz müssen nicht im Kontrast stehen. Bei NTS Colocation wird die Abwärme der Server genutzt, um zu heizen. Was wurde konkret gemacht?
Meyer: Bei all unseren Gebäuden nutzen wir die Abwärme soweit möglich und setzen diese zur Wärmeversorgung der Gebäude ein. In Bern Süd haben wir sogar ein Wärmenetz gebaut, an das unser Gebäude, aber auch zwei weitere Bürogebäude im Quartier angeschlossen sind. Insgesamt können wir mit allen Wärmerückgewinnungsanlagen in unseren NTS Gebäuden umgerechnet 170'000 Liter Heizöl pro Jahr einsparen, davon allein 85'000 Liter für das von der Stiftung KliK geförderte Wärmenetz.
3. Das ist aber noch nicht alles. Auf dem Dach der NTS Colocation Gebäude sind jeweils PV-Anlagen installiert. Damit wird auch Strom produziert.
Meyer: In Bern haben wir auf beiden Dächern der Rechenzentren PV-Anlagen installiert. Dabei nutzen wir die Dachfläche, die uns zur Verfügung steht, um aus erneuerbarer Energie Strom zu erzeugen. Das reicht aber nicht für den gesamten Stromverbrauch aus. Den Reststrom beziehen wir aus 100% erneuerbarer Energie aus der Schweiz.
Fakten zum Energieverbrauch
Täglich braucht jeder Erdbewohner und jede Erdbewohnerin im Durchschnitt etwa 58kWh Energie (Uni Leipzig).
In der Schweiz braucht ein Durchschnittshaus mit vier Personen pro Jahr etwa 4'500 kWh (energieeffizienz.ch).
Um Energie zu erzeugen wird in der Schweiz zu ¾ fossile Energie wie Erdöl oder Gas eingesetzt (bfe admin).
Im Jahr 2018 entsprach dies 5.4 Tonnen CO₂-Ausstoss pro Kopf (BAFU).
4. Was haben Sie im Bereich Energieeinsparen alles gemacht?
Meyer: In den letzten Jahren haben wir im Bereich Klimatisierung und Stromversorgung einige Massnahmen umgesetzt, um den Energieverbrauch zu senken. Wenn wir den Energieverbrauch der Server mit dem Gesamtenergieverbrauch unseres Unternehmens ins Verhältnis setzen, dann erreichen wir im Vergleich zum Durchschnittswert in der Schweiz, den Rechenzentren erreichen müssen, um mit dem Energieverbrauch nachhaltig umzugehen, einen guten Wert. Um energieeffizienter zu werden, setzen wir Energiesparmassnahmen dort um, wo es um unseren Eigenverbrauch geht (Bsp. Heizen, Stromversorgung Gebäude).
5. Was waren die grössten Herausforderungen beim Aufbau des Wärmenetzes?
Meyer: Die grösste Herausforderung war, die anderen Teilnehmenden zu überzeugen, über unser Netz Wärme zu beziehen. Dies, weil wir wohl als IT-Unternehmen kein typischer Wärmelieferant sind.
6. Und wie konnte NTS die anderen Wärmebezüger doch überzeugen?
Meyer: Indem wir hartnäckig blieben und die Vorteile der eigenen Wärmeversorgung immer wieder aufs Neue beleuchtet haben.
7. Worin sehen Sie die Chancen, ein solches Wärmenetz zu betreiben?
Meyer: Zum einen können wir die mit Abwärme erzeugte Wärme, welche wir nicht brauchen, an weitere Bezüger verkaufen. Anderseits gehört es auch zu unserer Philosophie, uns als nachhaltiges ICT-Unternehmen auf dem Markt zu positionieren.
Das Ergebnis: Rund fünf Gebäude sparen mit der neuen Wärmelösung 170'000 Liter Erdöl. Gemäss Prognose können bis zum Jahr 2030 über 2'100 Tonnen CO₂ eingespart werden. Daraus resultiert ein Förderbeitrag von 210'000 Franken
Technische Details im Artikel «Mit Abwärme von Rechenzentren heizen».
Merkmale Nahwärmenetz Colobern Süd
Wärmeverbund
Nahwärmenetz Colobern Süd
Beteiligte
NTS Colocation AG
Wärmequelle
Abwärme aus dem Rechenzentrum
Trassenlänge
141 m
Wärmeenergie / Jahr
850 MWh/a
Wirkungsbeginn
2016
Förderung
Erneuerbare Energien tragen zum Erreichen der CO₂-Ziele der Schweiz bei. Die Förderung der Stiftung KliK dient der Erfüllung der Kompensationspflicht der fossilen Treibstoffimporteure.
Prognose bis 2030
2100 Tonnen CO₂
Planung
NTS Workspace AG, Dr. Meyer Engineering
Finanzierung
Eigenfinanzierung; Finanzhilfen (Stiftung KliK)
)
Grosse Rechenzenter machen in der Schweiz 3 Prozent der Gesamtenergieleistung aus
Wärmeverbund mit Abwärme: 5 starke Argumente
Regionale Ressourcen
Abwärme-Energie, die sowieso von der Industrie erzeugt wird, ist nicht nur klimafreundlicher, sondern schafft Unabhängigkeit von ausländischen Brennstoff-Märkten
Klimapolitik
Erneuerbare Energien und Abwärme tragen zur Erreichung der CO₂-Ziele der Schweiz bei.
Wertschöpfung
Abwärmenutzung und Wärmenetze garantieren eine höhere Wertschöpfung.
Versorgungssicherheit
Wärmenetze garantieren eine langfristige und sichere Wärmelösung von Fachleuten, dies mit einem 24h Serviceangebot.
Mehr Komfort
Bezüger profitieren von einer konstanten Wärmelieferung ohne Unterbruch (keine Wartung nötig, keine Ausfälle) und sparen Platz im eigenen Haus (Heizungsraum nicht mehr nötig).
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